Musst Du wirklich “sinnlose” Dinge lernen?
Lernen ist irgendwie immer doof. Zumindest dann, wenn man es als lästige Pflichtübung versteht. Und vor allem dann, wenn man gar nicht weiß, wofür man den Stoff eigentlich lernen soll.
Erst vor kurzem hatte ich ein langes Telefonat mit einem Azubi, der bei uns der Kurs für Einzelhändler gemacht hatte und damit seine Prüfungen super bestanden hat. Der Grund des Anrufs war, dass sich der junge Mann einfach bei uns bedanken wollte, weil ihm der Kurs geholfen hatte. So kamen wir ins Gespräch und er erzählte mir von vielen ausgefallenen Stunden in der Berufsschule und dass einige Themen dort gar nicht besprochen worden sind. Nachdem wir so eine Weile geredet hatten, sagte er, dass er es auch blöd fände, dass er Dinge lernen müsse und die später nie wieder brauchen würde. Das gefiel ihm gar nicht, weil er das für sinnloses Lernen hielt. Da ich gute 30 Jahre älter als der junge Mann bin, habe ich ihm folgendes gesagt.
“Irgendwann später einmal wirst Du sehen, dass viele der Dinge die Du gelernt hast und der Dinge die Du noch lernen wirst, plötzlich irgendwie zusammenkommen und das Ganze dann auch einen Sinn für Dich ergibt. Plötzlich – vielleicht erst Jahre später – kommen die Dinge irgendwie zusammen und dann kannst Du Dich erinnern, dass Du sie bereits in der Ausbildung mal gelernt hattest, aber damals noch nichts damit anfangen könntest. Und Dich dann vielleicht daran erinnern kannst, dass Dir Zusammenhänge damals noch nie aufgefallen sind. Obwohl Du heute (vielleicht viele Jahre später) klar erkennst, warum Du diese Lehrinhalte gelernt hast”.
Der junge Mann klang am Telefon sehr erstaunt über meine Worte, hat sie aber ernst genommen und noch mal nachgefragt, ob ich das wirklich so meinen würde. Nachdem ich ihm versichert habe, dass er diese Erfahrung in einigen Jahren garantiert auch machen würde, hat sich die Sache mit dem “sinnlosen Lernen” für den jungen Mann erledigt, denn er konnte plötzlich den Sinn erkennen, auch wenn er ihn heute vielleicht noch nicht in seinem Erfahrungsschatz selber gemacht hatte.
In der Vergangenheit hatte Vera Birkenbihl öfter von einem neuronalen Wissensnetz gesprochen. Leider ist Frau Birkenbihl mittlerweile tot, aber die Vorstellung dieses Wissensnetzes bleibt mir persönlich in guter Erinnerung. Gemeint hatte sie damit, dass immer dann wenn wir etwas Neues lernen, unser Gehirn noch keine Anknüpfungspunkte zu diesem Thema hat. Wenn Du also beispielsweise damit beginnst ein Instrument zu spielen und noch nie Erfahrungen zu Noten oder Akkorden gemacht hast, ist in Deinem Gehirn sozusagen noch keine Erinnerung oder Assoziation dazu angelegt. Dein Kopf ist sozusagen leer, was diesen Bereich angeht. Nachdem Du aber die ersten Stücke auf Deinem Instrument gelernt hast, bilden sich neuronale Verknüpfungen dazu. Und je mehr Stücke Du zu spielen lernst, desto mehr Anknüpfungspunkte werden sich in Deinem Gehirn dazu bilden. Das coole ist nun, dass sich diese einzelnen Anknüpfungspunkte miteinander verbinden. Und je mehr neuronale Punkte zu einem Thema in Deinem Gehirn bereits angelegt sind, desto engmaschiger wird sozusagen Dein Wissensnetz. Und wenn Dein Wissensnetz zu einem Thema eng genug ist, fängst Du plötzlich an, ein Thema wirklich zu begreifen und zu erfassen.
Keine Sorge, wenn Du diese Erkenntnis in Bezug auf das Lernen noch nicht gemacht hast, dann kann ich Dir versichern, dass auch bei Dir irgendwann die Erkenntnis wächst, dass es gar nichts gibt, was sozusagen sinnloses Lernen wäre. Im Gegenteil. Wenn Du begriffen hast, dass Du mit jedem neuen Lerninhalt auch wieder neue Anknüpfungspunkte in Deinem neuronalen Netz schaffst, dann beginnst Du vielleicht auch zu begreifen, dass Du die Dinge umso schneller verstehst, je mehr dieser Lerninhalte sich dann am Ende zu einem Wissensnetz zusammenfügen. Und dann bekommt alles einen Sinn und dann – auch das kann ich Dir versichern – macht Lernen plötzlich einen Ultra-Spaß 🙂